Meine Lieben, im letzten Jahr hat es Momente gegeben, in denen ich nicht gedacht hätte, dass ich diese Worte oder so eine Art von Beitrag jemals schreiben können werde.
Zwei Jahre zuvor wiederum hätte ich nicht gedacht, dass ich so einen Beitrag jemals schreiben werde “müssen” … hört sich kompliziert an, oder?
Okay, wartet, ich werde es euch erklären:
All meine fleißigen regelmäßigen Leser haben mich während des letzten Jahres begleitet und können wahrscheinlich schon erahnen, in welche Richtung dies heute gehen wird. Und alle Neuleser oder Gelegenheitsleser – vielleicht erzähle ich euch heute eine kleine Geschichte, die eventuell nicht jeder genau so nachvollziehen kann, wie ich es erlebt habe.
Aber vielleicht ja auch doch.

Eine kurze Erläuterung vorweg: Bereits mein Leben lang habe ich immer wieder mit depressiven Verstimmungen zu kämpfen. Tatsächlich habe ich sogar schon ein paar Mal darüber geschrieben, und nachdem das meine meistgelesenen Beiträge sind, offensichtlich also geschrieben werden mussten, finde ich, bin ich euch allen schuldig, dass ich nicht nur die schlechten Momente hier teile, sondern vor allem auch die guten.
Und ganz besonders die richtig guten, denn ja: She´s back!

Doch nun erst einmal zur angekündigten Geschichte:

Es war vor ziemlich genau einem Jahr, als ich so tief in meiner Dunkelheit gefangen war wie nie zuvor in meinem Leben. Das waren keine depressiven Verstimmungen mehr, das war keine Angst haben, dass man irgendwann über die Klippe stürzt, das waren leichte Depressionen.
Und das hat mir enorme Angst gemacht, da ich bemerkt habe, da verändert sich etwas in mir. Das ist nichts mehr, das ich bereits kenne und händeln kann.
Wie gesagt, es war vor ziemlich genau einem Jahr, als ich jeden Tag kämpfen musste, und ohne meinen Mann an meiner Seite weiß ich nicht, wo ich heute wäre. Er hat alles versucht, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Hat mich, selbst gegen meinen Willen, auf irgendwelche Ausflüge geschleppt, Dinge mit mir unternommen, und auch wenn natürlich jeder mit einschlägiger Erfahrung weiß, dass einen das nicht aus einer Depression holen kann, er hat zumindest alles versucht. Er war vor allem immer an meiner Seite, was mir wahrscheinlich am meisten geholfen hat!

Im vergangenen Juni waren wir also irgendwo im Burgenland unterwegs, sind dem Schlechtwetter zu Hause entflohen, und mein Mann hat mir mein Lebenselixier – Starbucks-Chai – quasi intravenös verabreicht, da er mich kennt und weiß, wenn gar nichts mehr hilft, dann zumindest das. Und ja, tatsächlich, ich konnte es sogar fast genießen. Trotz der dunklen Wolke, die dauerhaft über mir geschwebt ist.
Abends, als wir uns dann auf den Heimweg gemacht haben, im warmen Licht der untergehenden Sonne über Landstraßen gecruist sind – etwas, das für mich eins der schönsten Dinge überhaupt ist – normalerweise -, wurde im Radio ein Lied gespielt, das meinen österreichischen Lesern sehr wahrscheinlich jedem ein Begriff sein wird, bei meinen Lesern über die Grenzen hinaus bin ich mir da nicht so sicher.
Dieser Song, von dem ich spreche, heißt “Du bist wia de Wintersun” (Übersetzung österreichisch-bundesdeutsch: “Du bist wie die Wintersonne”) von Wolfgang Ambros, österreichischer Künstler und Mitbegründer des Austropop. Dieses Lied ist an und für sich ein Liebeslied, ein wunderschönes Liebeslied – wenn man es richtig hört.Jedenfalls, als dieser Song gespielt wurde und immer wenn der Refrain an der Reihe war: “Du bist wia de Wintersun, de nur an monchn Togn scheint.” (“Du bist wie die Wintersonne, die nur an manchen Tagen scheint.”) hat sich das angefühlt wie tausend Messerstiche direkt in meine Brust. Ich habe keine Luft mehr bekommen. Es hat so wehgetan, weil ich diese Zeile so sehr gefühlt habe. Ich habe angefangen zu weinen. Ich habe so sehr geweint wie selten zuvor. Mein Mann hat mich voller Panik angesehen, da er nicht wusste, was mit mir los war. Und ich habe immer stärker und stärker geweint. Immer wieder ist dieser eine Satz aus den Lautsprechern gehallt: “Du bist wia de Wintersun, de nur an monchn Togn scheint.” Und ich war diese Person. So habe ich mich selbst gesehen.
Ich habe mich wie die Wintersonne gefühlt, die nur an manchen Tagen scheint.
Ich wollte nicht so sein.
Ich wollte mich nicht so fühlen.
Ich wollte nicht nur an manchen Tagen scheinen können.
Und ich wollte das nicht für andere sein.
Diese Erkenntnis hat unglaublich wehgetan.

Spulen wir die Uhr nach vorne, blättern wir den Monatskalender mehrere Male um.
Es ist irgendwann im März, ein Monat also, mit dem ich generell Jahr für Jahr zu kämpfen habe.
Außer in diesem Jahr.
Außer heuer.
Ich liege in der Früh im Bett, klicke mich durch YouTube, höre Musik, wie ich am liebsten an einem freien Tag munter werde, und weshalb auch immer, bei meinen Empfehlungen erscheint ein Musiktipp (obwohl ich eigentlich eher selten Austropop höre): Christina Stürmer – MTV unplugged im Burgtheater -, die gemeinsam mit Wolfgang Ambros ein gewisses Lied singt.
Das Video startet von selbst.
Ich liege in meinem Bett (in meinem neuen Bett), starre an die Decke und plötzlich, ganz plötzlich, kommen mir Tränen – und ich lächle! Ich lächle wie ich selten zuvor gelächelt habe. Immer mehr Tränen fließen meine Wangen hinab, immer breiter wird mein Grinsen, denn ich fühle diese Zeile so sehr: “Du bist wia de Wintersun, de nur an monchn Togn scheint.”
Und ja, ich fühle diese Zeile, und trotzdem sind es andere Tränen als im Jahr zuvor, denn zum ersten Mal verstehe ich diese Worte richtig:
Dieser Song ist ein Liebeslied, ein wunderschönes Liebeslied, und diese Textzeile hat überhaupt nichts Negatives zu bedeuten.
Sie will nicht aussagen, dass die Angesungene viel zu selten strahlt und zu oft in einer dunklen Welt versinkt. Nein, diese Zeile soll verdeutlichen, wie selten und deshalb unendlich kostbar sie ist, diese Wintersonne.

Seit den letzten zwölf Monaten hat sich an dem Songtext definitiv nichts geändert. Das Einzige, das sich verändert hat, war ich selbst.
Vor zwölf Monaten war ich so sehr in meiner dunklen Welt gefangen, dass ich alles nur negativ und traurig und genauso düster wie mich selbst sehen konnte.
Nun, zwölf Monate danach, habe ich wieder geweint. Das schon. Aber ich habe geweint, da ich mit absoluter Sicherheit und Endgültigkeit gespürt habe, dass ich wieder gesund bin. Dass ich zurück bin. Dass ich wieder da bin!

O ja, ich fühle wieder alles. Jedes kleinste Ereignis, jeden Geruch, jeden Ton, jede Kleinigkeit – jedes Gefühl kann ich wieder in voller Bandbreite wahrnehmen! Endlich!

She’s back!

Ich weiß nicht, ob irgendwer meine Worte, diese kleine Geschichte, verstehen kann, nachvollziehen kann. Aber … wie soll ich es beschreiben? Ich habe im letzten Jahr so sehr gekämpft, teilweise jeden Tag über längere Zeiträume hinweg. Dann dachte ich nicht nur einmal, mir geht es besser, es geht bergauf, bis ich wieder zurückgefallen bin und zurückgefallen und zurückgefallen.
Aber ich bin jedes Mal wieder aufgestanden.
Und genau all diese vielen Male wieder aufstehen habe ich in diesem Moment, während ich diese Textzeile gehört habe, so sehr gefühlt.
Ich bin keine Wintersonne, die nur an manchen Tagen strahlen kann. Ich kann jeden Tag strahlen, auch wenn ich es manchmal einfach nicht sehen kann. Aber eine Sonne ist so stark, dass sie jede (Sonnen)finsternis überdauert.
Und so bin ich!

eine Lieben, yes, she’s back, und das schon seit einigen Monaten! Weshalb ich diese Worte trotzdem erst heute schreibe, hat vor allem den Grund, dass ich sichergehen wollte. Seit Anfang des Jahres habe ich gespürt, dass ich diese bedrohliche Welle bis zum Ende gesurft habe. Und ich bin nicht dabei ertrunken, worauf ich unglaublich stolz bin. Allerdings hatte ich das im letzten Jahr öfter gedacht.
Deshalb wollte ich abwarten. Sicher sein.
Und dann war es diese Wintersonne, die mir gezeigt hat, dass ich wieder voll da bin. Dass ich auch keine Angst haben muss, sollte ich einmal einen schlechten Tag haben (ja, daran arbeite ich noch, dass ich nicht gleich in Panik verfalle, wenn es einmal so ist), sondern dass jeder Mensch auch einmal schlechte Momente hat.
Der Grund, weshalb ich diese Zeilen aber unbedingt schreiben wollte, ist, dass ich allen da draußen, die Menschen mit Depressionen immer noch nicht ernst nehmen und meinen, es geht jedem ab und zu mal schlecht, sagen will: Ihr habt keine Ahnung! Wenn ihr noch nie fühlen (oder nicht-fühlen) musstet, was ein Mensch mit Depressionen durchmachen muss, dann seid wenigstens still und behaltet eure unqualifizierte Meinung für euch, okay?
Und was ich dir da draußen sagen will: Wenn du dich gerade wie die negative Version der Wintersonne fühlst; du bist nicht allein, und vergiss bitte nicht, du strahlst auch jetzt, selbst wenn du es gerade nicht sehen kannst. Aber das wirst du wieder, ganz bestimmt!
So wie ich!
Alles Liebe, love&peace,