Mirli´s Lesecafé – Die Nachtigall

Meine Lieben, vor ein paar Tagen habe ich “Die Nachtigall” zu Ende gelesen und trotzdem zittern meine Hände noch immer, während ich dies hier tippe. Eines kann ich unter Garantie sagen, seit “Ein Riss im Himmel” hat mich kein Buch mehr so mitgenommen, aufgewühlt – mich mit unendlich nicht einmal benennbaren Emotionen zurückgelassen. Und noch eines möchte ich gleich zu Beginn erwähnen, jeder, der dieses Buch nicht liest, ist selbst schuld. Und jeder, der es liest, ist ebenso selbst schuld. Eigentlich hatte ich vor, dieses Mal etwas “Leichteres” vorzustellen. Dann habe ich allerdings endlich, nachdem es bereits seit Jahren auf meiner Leseliste gestanden hat, diesen Roman von Kristin Hannah gelesen und dachte mir, einen wirklich passenden Zeitpunkt gibt es sowieso nie, so eine Geschichte vorzustellen. Und andererseits, einen passenderen Zeitpunkt als jetzt kann es überhaupt nicht geben.
Ihr seht, es fällt mir verdammt schwer auszudrücken, was dieses Buch mit mir gemacht hat. Fakt ist, seit meiner frühesten Jugend habe ich unzählige Zeitzeugenberichte, autobiografische Geschichten, Sachbücher – was auch immer – über den zweiten Weltkrieg gelesen; ihr wisst schon, Geschichtsfreak. Deshalb, nichts, was ich in “Die Nachtigall” gelesen habe, hat mich überrascht oder habe ich nicht auf andere Weise schon einmal gehört. Doch die Erlebnisse zweier Frauen während der Kriegsjahre quasi als Frauenroman erzählt – es ist nicht in Worte zu fassen, was das mit einem macht. Ich musste dieses 600 Seiten-Werk an drei Tagen durchlesen, da ich nicht mehr schlafen konnte, aber endlich wieder schlafen musste. Dafür musste ich allerdings wissen, wie es ausgeht. Ich habe das Lesen teilweise unterbrechen müssen, weil ich so geheult habe, dass ich nichts mehr sehen konnte.
Also ja, ich will, dass jeder dieses Buch liest, ich will dieses Buch unbedingt empfehlen, aber ich muss eben trotzdem eine Triggerwarnung aussprechen: Diese Geschichte ist harte Kost. Sie ist wirklich, wirklich schwer verdaulich. Und sie lässt einen auch Tage (und wahrscheinlich Wochen und länger) nicht mehr los. Trotzdem zählt “Die Nachtigall” schon jetzt zu meinen top-ten Lieblingsbüchern, und wenn ich irgendwann bereit dazu bin, werde ich es noch einmal lesen und noch einmal und noch einmal, denn es darf niemals vergessen werden! Alles Liebe, x S.Mirli! 

Buchvorstellung: “Die Nachtigall”

Autor: Kristin Hannah
Erscheinungsdatum: 12. Edition Oktober 2017 im Aufbau Verlang
Seitenanzahl: 611
Preis: 14,40€

Autor: Kristin Hannah, geboren 1960 in Südkalifornien, arbeitete als Anwältin, bevor sie zu schreiben begann. Heute ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen der USA und lebt mit ihrem Mann im Pazifischen Nordwesten der USA. Nach zahlreichen Bestsellern waren es ihre Romane »Die Nachtigall« und »Die vier Winde«, die Millionen von Leser:innen in über vierzig Ländern begeisterten und Welterfolge wurden.

Inhalt laut Klappentext: Zwei Schwestern im besetzten Frankreich: Vianne, die Ältere, muss ihren Mann in den Krieg ziehen lassen und wird im Kampf um das Überleben ihrer kleinen Tochter vor furchtbare Entscheidungen gestellt. Die jüngere Isabelle schließt sich indes der Résistance an und sucht die Freiheit auf dem Pfad der Nachtigall, einem geheimen Fluchtweg über die Pyrenäen. Doch wie weit darf man gehen, um zu überleben? Und wie kann man die schützen, die man liebt?

“Aber die Liebe muss stärker sein als der Hass, oder es gibt keine Zukunft für uns.”

Die Autorin dieses Romans, Kristin Hannah, ist keine Unbekannte für mich. Tatsächlich habe ich sogar schon einmal ein Buch von ihr vorgestellt, das ist allerdings Jahre her. Wenn ich ehrlich bin, war ich nicht darauf vorbereitet, was mich während dieser 600 Seiten erwarten wird, war doch das Buch, das ich damals gelesen habe, etwas vollkommen anderes. Und trotzdem bin ich Kristin Hannah dankbar, dass sie diese Geschichte geschrieben hat, denn ja, Liebe muss immer stärker sein als Hass und es muss weitererzählt werden!

“Sie waren schon immer von Grund auf verschieden gewesen. Vianne befolgte die Regeln, Isabelle war die Rebellin.”

“Die Nachtigall” zählt zwar zu den historischen Romanen, ist aber genauso den Frauenromanen zuzuschreiben, der von zwei Schwestern handelt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Genauso unterschiedlich wie sie im Heranwachsen sind, gehen sie mit den Ereignissen zu Beginn des Krieges um. Vianne, die ängstliche und vorsichtige Schwester, hält sich an alle Regen und befolgt die Anweisungen im naiven Glauben, ihnen wird so nichts geschehen. Isabelle indessen, die aufmüpfige, rebellische Schwester, will nicht einfach tatenlos zusehen.

“Ich bin einberufen worden, Vianne. Gemeinsam mit den meisten Männern zwischen achtzehn und fünfunddreißig.”
“Aber … aber … du bist Postbote.”
Er sah sie an, und plötzlich konnte sie nicht mehr atmen.
“Jetzt bin ich Soldat, so wie es aussieht.”

Viannes Mann wird einberufen und lässt Frau und Kind zurück in der Hoffnung, dass der Krieg nicht ausbrechen wird und seine Familie so sicher sein wird. Niemand hätte gedacht, wie falsch er mit genau dieser Hoffnung und Annahme liegen wird.

“Was auch geschieht”, fuhr de Gaulle fort, “die Flamme des französischen Widerstands darf und wird nicht erlöschen.”
Isabelle bemerkte kaum, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Die Franzosen hatten sich nicht aufgegeben. Nun musste sie einen Weg finden, wie sie diesem Aufruf Folge leisten konnte.”

Während Viannes Alltag aus Anstellen um Essensrationen besteht und sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, meint Isabelle explodieren zu müssen, wenn sie weiter tatenlos zusieht. Sie kann nicht verstehen, weshalb sich niemand wehrt. Bis sie den Aufruf de Gaulles hört und ihr bewusst wird, sie ist nicht die Einzige, die so denkt. Frankreich ist noch nicht verloren.

“Von dem Moment an, in dem sie in den Zug nach Saint-Jean-de-Luz stieg, wäre sie nicht mehr Isabelle Rossignol, die junge Frau aus dem Buchladen, die in der Avenue de La Bourdonnais wohnte. Von jetzt an war sie Juliette Gervais, Deckname Nachtigall.”

Etwas, das mich an diesem Roman mit am meisten begeistert hat, war die Entwicklung beider Charaktere. Sowohl Vianne als auch Isabelle machen eine enorme Veränderung durch und zeigen, wie sehr man über sich hinauswachsen kann, wenn es gefordert wird. Nach Kriegen wird immer nur von den Schlachten und den kämpferischen Soldaten gesprochen, aber nie über das, was die Zurückgebliebenen, die Frauen, alles geleistet haben und leisten. Gerade in der Résistance in Frankreich haben Frauen eine große und tragende Rolle gespielt. Über genau diese Frauen wird in “Die Nachtigall” erzählt.

“Die Mädchen waren ängstlich und verwirrt. Sie wussten, wie viel Unrecht geschah, und hatten eine neue Art der Angst kennengelernt. Es brach Vianne das Herz, mit anzusehen, wie sehr der Krieg diese Mädchen verändert hatte.”

Der Schreibstil des Roman ist ein sehr einfacher, was ich von Kristin Hannah eigentlich anders kenne. Aber vielleicht war das pure Absicht. So eine Geschichte braucht keine verschnörkelten Sätze und blumige Umschreibungen. Es ist eine Geschichte, die erzählt werden muss, die Art und Weise spielt dabei keine Rolle. Tatsache ist, die Seiten gleiten einem nur so durch die Finger, so schnell ist man am Umblättern, und man kann nicht aufhören, bevor man das Ende kennt.

“Ihre Kinder interessieren uns nicht. Sie sind in Frankreich geboren. Sie stehen nicht auf der Liste.” …
“Was wollen sie damit sagen?”
“Ich sage Ihnen Folgendes: Wenn sie morgen hier ist, wird sie übermorgen nicht mehr hier sein.”

Fazit: Jeder, der dieses Buch nicht liest, ist selbst schuld. Jeder, der dieses Buch liest, ist selbst schuld!
Genau das habe ich bereits zu Beginn gesagt und ich wiederhole es noch einmal. Woher meine Faszination für diesen Teil unserer Geschichte kommt, weiß ich nicht. Trotzdem habe ich über keine historische Epoche so viel gelesen und kann offensichtlich auch nicht damit aufhören. Vielleicht lese ich so viel darüber, weil ich es verstehen will und doch begreifen muss, dass man es nicht verstehen kann. Der Grund, weshalb Isabelle all die Gefahren auf sich genommen hat, war, damit sie nicht vergessen wird. Und zumindest das können wir tun – nicht vergessen! Ich will nichts Beschönigen, denn das wird auch dieses Buch nicht. Also alles, was ihr über diese Zeit wisst, werdet ihr während des Lesens dieser 600 Seiten selbst erfahren. Wenn man jemand ist, der sich komplett in Geschichten fallenlässt wie ich, dann könnt ihr nachvollziehen, was das mit einem macht. Mein Mann hat bemerkt, dass ich einige Tage lang ziemlich verstört war und hat mich auf die Erklärung hin, dass es an dem Buch liegt, gefragt, weshalb ich so etwas lese. Die Antwort: Es macht einen demütig und lässt alle eigenen so wahnsinnig “wichtigen” Problemchen nichtig erscheinen. Und es lässt einen richtig fühlen – auf die schlimmste und gleichzeitig auch schönste Weise. 

eine Lieben, was soll ich sagen, ich wünsche euch schöne Lesestunden – nein, das wohl nicht. Andererseits, ich hatte wunderschöne Lesestunden. Emotionale, fesselnde, berührende, unvergessliche. Wenn das ein Buch schafft, dann hat der Autor eindeutig alles richtig gemacht. Dieses Buch ist ein Bestseller und bereits vor Jahren erschienen. Ich war mir nicht sicher, ob es überhaupt Sinn macht, es hier vorzustellen. Aber jeder, der noch nichts davon gehört hat, soll es wissen. Muss es wissen. So, und ich buche mir jetzt einen Termin bei meiner Therapeutin!
Nein, das ist natürlich nicht ernst gemeint. Aber etwas mache ich definitiv noch, ich gebe ein Versprechen ab: Ich werde niemals vergessen!
Alles Liebe, love&peace,