Frohe Weihnachten 2023

Meine Lieben, ich kann es noch immer nicht glauben, andererseits, in meinem Kalender steht es schwarz auf weiß, in drei Tagen ist tatsächlich Weihnachten – so unwirklich wie in diesem Jahr hat es sich allerdings noch nie angefühlt, und ich glaube auch, behaupten zu können, ich habe zu diesem Zeitpunkt noch nie auf ein so seltsames, nicht in Worte zu fassendes Jahr zurückgeblickt … oje, ich sehe hier bereits Angst-Schweißperlen auf der einen oder anderen Stirn entstehen. Keine Angst, ich nerve euch jetzt nicht mit einem persönlichen, emotionalen Jahresrückblick, so etwas ist nicht wirklich mein Fall. Eigentlich geht es mir bei diesen einleitenden Worten nämlich um etwas vollkommen anderes.

Wie es halt so ist, wenn man sich tagtäglich mit den Gedanken von klugen Köpfen und Philosophen beschäftigt, bleibt es nicht aus, dass man sich – was ich eigentlich sowieso schon mein halbes Leben lang mache – Gedanken über genau das, das Leben macht. Über das Wunder Leben. Über das Wunder Mensch.
Keine Frage, das aktuelle Weltgeschehen und die Ereignisse der letzten Jahre – und speziell der letzten Monate – machen es einem nicht gerade leicht, bei dem Wort Mensch, das Wort Wunder hinzuzufügen. Nein, es kommen einem dabei eher andere Worte in den Sinn. Trotzdem ist es so, dass ich kleiner Naivling nie den Glauben an das Gute im Menschen verlieren werde. Ich werde weiter an meiner Meinung festhalten, dass der Großteil der Menschheit tatsächlich ein Wunder ist. Ein einzigartiges Wunder.

“In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinaus nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.”

Ich finde es immer wieder faszinierend, wozu der menschliche Körper und Geist fähig ist. Ich meine, denkt einmal genauer darüber nach, was es bedeutet, zu leben. Wir tragen im Grunde nichts dazu bei. Okay, schön und gut, wir führen unserem Körper Energie in Form von Essen zu, wir trinken, wir versorgen uns mit Sauerstoff und Sonne und allem anderen, was wir brauchen, aber im Grunde macht unser Körper alles von selbst. Unser Herz schlägt, pumpt Blut bis in den letzten Winkel, unsere Lungen füllen sich mit Atem, es zirkuliert, es reguliert – es lebt. Und wir denken keine Sekunde darüber nach. Wir können das sogar im Schlaf.
Ist das nicht einfach das Faszinierendste, das man sich vorstellen kann?

Unser Körper ist sogar dazu fähig, sich selbst zu heilen. Wenn ihr euch das Heilen einer Wunde in Zeitraffer vorstellt, dann hat das etwas von Science Fiction. Als ob Magie mit im Spiel ist, produziert unser Körper neue Zellen, reinigt die Wunde, stillt Blutungen und verschließt nach getaner Arbeit sein Werk. Ein paar Wochen später würde niemand mehr glauben, dass dieselbe Stelle einmal etwas anderes war als makellos. Gebrochene Knochen können wieder heilen. Von Fieber gebeutelte, von Viren befallene Körper springen bald danach erneut munter durch die Gegend, als wäre nie etwas gewesen.
Ist das nicht das Faszinierendste, das man sich vorstellen kann?

Und das ist erst der Anfang. Was unser Körper tagtäglich vollbringt, um uns durch die Gegend zu tragen, um uns am Leben zu halten, ist das eine. Doch dann ist da noch unser Kopf, unser Geist, unser Gehirn, das einen sprachlos macht. Ich meine, was da alles in uns gespeichert wird, ohne unser Zutun. Habt ihr euch schon einmal Gedanken über Gedanken gemacht? Woher kommen die, wie entstehen sie? Wieso denke ich so und ein anderer so? Was macht mich zu dem, der ich bin?
Wer bin ich und warum?
Ist da nicht das Faszinierendste, das man sich vorstellen kann?

Und dann, dann ist da auch noch unsere Seele. Unser aller Essenz. Sie ist das, was uns ausmacht. Was wir sind.
Aber was ist die Seele überhaupt?
Laut Wikipedia hat der Ausdruck Seele eine vielfältige Bedeutung, abhängig von religiösen, mythischen, philosophischen oder psychologischen Lehren. In unserem Sprachgebrauch ist dabei meist die Gesamtheit unserer Gefühle und geistigen Vorgänge gemeint, im Grunde gleichbedeutend mit “Psyche”, dem griechischen Wort für Seele.
Wenn wir nun schon fasziniert sind von all den Vorgängen, die unser Körper vollkommen automatisch vor sich nimmt, um uns am Leben zu erhalten, dann denkt doch einmal nach, was die unendlichen Weiten unserer Seele alles vollbringen können.
Fühlen, zum Beispiel, ist das nicht eins der faszinierendsten Dinge, die man sich vorstellen kann.

“In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede, bei den Menschen seiner Gnade.”

Etwas, das wir sofort mit dem Wort “fühlen” verbinden, ist das stärkste Gefühl überhaupt, zu dem wir fähig sind: Liebe. Wir alle wissen es, dass man Liebe nicht steuern kann. Man kann sich auch nicht dazu entschließen. Weder ist man fähig, jemanden oder etwas zu lieben, wenn diese Gefühle nicht existieren, noch ist es möglich, aufzuhören, zu lieben, wenn man es beschließt. Wir tun es einfach. Wir fühlen. Oder wir tun es nicht, und fühlen nicht.
Unsere Seele. Oh, unsere Seele, was für eine faszinierende Sache. Sie macht uns aus. Sie ist das, was uns zu dem macht, das wir sind. Sie ist das, was von uns bleibt. An das sich erinnert wird. Sie sorgt dafür, dass Gefühle auf Gefühle treffen. Dass sich eine andere Seele zu unserer hingezogen fühlt. Dass diese unsere Seele geliebt wird. Liebe. Gefühle. Leben. Seelen.
Ist das nicht einfach das Faszinierendste, das man sich vorstellen kann?

Das Wunder Mensch. Das Wunder Leben. Wir alle sind in die Welt geworfen und irren umher, manche ziellos, manche folgen einem exakten Sinn, aber im Grunde kommen wir alle einmal an den Punkt, an dem wir uns Gedanken darüber machen: Leben! Was? Was ist das? Was tun wir hier eigentlich auf diesem Planeten (außer ihn zukzessive zu zerstören)? Was? Einfach was?

Ich bin es so leid, zu sehen, wie all das nicht geschätzt wird. Wie all das als selbstverständlich angesehen wird. Wie all das als Nichts abgetan wird. Wir kümmern uns nur um die Schale, das, was von außen sichtbar ist. Da wird gezogen und gezerrt, geglättet und perfektioniert, während innen alles verfault und zu etwas mutiert, das alles andere als faszinierend ist. Wir haben keinen Respekt vor dem Wunder Mensch. Wir haben keinen Respekt vor dem Wunder Leben. Wir greifen andere Seelen an. Mit Worten. Mit Taten. Wir denken nicht nach. Unser Gehirn scheint oft nur ein Accessoire zu sein, selten benutzt.
Es schockiert mich jeden Tag, wenn ich unterwegs bin, wie Menschen zueinander sind. Wie Mensch miteinander sprechen.
Es entsetzt mich, wenn ich Nachrichten sehe, wie das Wunder Mensch von einer Sekunde auf die andere neutralisiert wird. Ein Mensch. Hunderte Menschen. Tausende Menschen. Getötet. Vernichtet. Das Wunder Mensch, so faszinierend für mich, so unbedeutend für viele.

“Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ. So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte des Hirten. Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war. ” (LK 2, 1-20)

Ich stelle die Frage nicht mehr in den Raum, ich stelle die Tatsache in den Raum, dass der Mensch, das Wunder Leben, das Faszinierendste ist, das man sich vorstellen kann. Ich wünsche mir, dass wir alle wieder lernen, es auch als das zu sehen, als Wunder. Es ist etwas, das uns wie ein Wunder geschenkt wurde. Ein Geschenk auf Zeit. Wir haben keine Garantie, dass unser Körper nicht irgendwann vergisst, wie er zu funktionieren hat, und aufgibt. Wir haben keine Garantie darauf, dass unsere Seele uns weiterhin mit den schönsten Gefühlen versorgt. Wir verdienen es nicht aus irgendeinem Grund, Mensch zu sein. Am leben zu sein. Wir haben etwas geschenkt bekommen, das ein Wunder ist, und sollten uns fragen, wie kann ich diesem großartigen, diesem faszinierenden Geschenk am ehesten gerecht werden.
Indem ich andere Seelen verletze?
Indem ich andere Wunder vernichte?
Indem ich Leben raube?
Indem ich unseren Lebensraum zerstöre?Wir sind das Wunder Mensch. Wir sind wie durch ein Wunder für begrenzte Zeit am Leben. Wann lernen wir endlich, es als genau das zu sehen? Als Wunder! Als Geschenk! Als Aufgabe, das Beste aus diesem Geschenk zu machen.
Um dieses Wunder, dieses Geschenk überhaupt erst zu verdienen!

eine Lieben, in drei Tagen ist Weihnachten. Wir feiern die Geburt eines Wunders. Wir alle sind kleine Wunder und ich wünsche mir und euch, dass wir alle irgendwann aufwachen und unser aller Leben als genau das sehen, als Wunder. Ich wünsche uns allen friedliche Weihnachten, aber vor allem auch ein friedliches neues Jahr. Ich wünsche uns allen, dass wir noch ein Wunder geschenkt bekommen, das größte Wunder überhaupt, das Wunder der Veränderung. Und wenn wir es nicht geschenkt bekommen, dann, dass wir alle dazu beitragen, dieses Wunder zu vollbringen. Ich bin dieser kleine Naivling, der daran glaubt. Der an Veränderung glaubt. An ein Besser. An dieses Wunder.
Ihr Lieben, ich wünsche euch allen wundervolle (im wahrsten Sinne des Wortes), ruhige, besinnliche, glückliche, gemeinsame, geteilte, unvergessliche, reich an Gefühlen machende, reich an Erinnerungen machende Weihnachten. Seid nicht traurig, wenn nicht das passende Geschenk unterm Weihnachtsbaum liegt, denn das größte Geschenk haben wir – wie die Person, dessen Geburtstag wir feiern – bereits alle geschenkt bekommen. Wir sind das Wunder, zeigen wir es!

Alles Liebe, love&peace – so sehr!